Über existenzielle Tiefe und Untiefe von Dasein und Ich 

Über existenzielle Tiefe und Untiefe von Dasein und Ich 

Hedwig Conrad-Martius

IX. Über existenzielle Tiefe und Untiefe von Dasein und Ich 

IX. About the Existential Depth and Shallowness of Existence and the I

Schriften I, 228-244

Vortrag 

Das philosophische Denken unserer Tage kreist um das “Ich” und seine Problematik herum wie um ein faszinierendes, jedoch gefahrvolles Licht. Die europäische Philosophie der letzten Jahrhunderte bewegte sich schon in dieser Richtung, aber immer noch mehr in irgendeiner objektiv eingebetteten, erkenntnistheoretischen oder auch naturalistisch-anthropomorphen Richtung. Erst jetzt beginnt dieses Ich, dieses Subjektivste alles Subjektiven, in unverhüllter Eigenproblematik hervorzutreten. 

Lecture

Today’s philosophical thinking revolves around the “I” and its problems as around a fascinating but dangerous light. The European philosophy of the last centuries has already moved in this direction, but still more in some objectively embedded, epistemological or also naturalistic-anthropomorphic direction. Only now does this I, this most subjective of all subjective, begin to emerge in undisguised self-problematics.

Die Tendenz, zum Mittelpunkt und zur Wurzel aller Subjektivität vorzudringen und darin das fast nicht zu Ergreifende dennoch zu ergreifen, geht nun in auffallender Weise Hand in Hand mit einem immer mehr wiedererwachenden Sinn für die Problematik des Seins und Daseins überhaupt, mit einem neuen, echt ontologischen, seins-philosophischen Interesse. 

The tendency to penetrate to the center and to the root of all subjectivity and therein to grasp what is almost intangible goes hand in hand in a striking way with an ever-reawakening sense of the problematic of being and existence in general, with a new, genuine sense ontological, being-philosophical interest.

Gibt es etwas Objektiveres als diese—ontologische—Denkrichtung? Ontologie: die Lehre vom Logos des Daseins! Eine fest umrissene, hierarchisch gestaltete, in sich selbst und zutiefst in Gott ruhende Welt tritt uns vor Augen, in der das menschliche Ich, unmittelbar eingesenkt in seelische und leibliche Bezirke und doch erhaben über sie, einen genau zu bestimmenden, unverrückbaren Standort zwischen oben und unten besitzt. Man empfindet ja allerdings sofort, daß das, was man heute Existenzialphilosophie nennt, mit dieser klassischen Ontologie weder nach Ausgangs- und Zielpunkt und Gehalt noch nach seiner eigenen inneren Vitalität—seinem Rhythmus und seinem Eros zur Deckung zu bringen ist. Die Existenzialphilosophie steht von vornherein in einer scharf betonten Subjektivität, von der sie nicht fortzurücken ist, ohne ihr spezifisches Sein zu verlieren. Ihr ist von vornherein und unverrückbar das menschliche Ich, in die Tiefe und Untiefe seiner Existenz, Quell- und Wurzelpunkt, sowie bleibendes Zentrum der Daseinsfrage überhaupt. 

Is there anything more objective than this—ontological—way of thinking? Ontology: the doctrine of the logos of existence! A clearly defined, hierarchically structured world, resting in itself and deeply in God, appears before our eyes, in which the human ego, immersed directly in the spiritual and physical realms and yet raised above them, has an immovable location to be precisely determined between above and owns below. Of course, one feels immediately that what is now called existential philosophy cannot be brought into line with this classical ontology either in terms of its starting point and goal and content, nor in terms of its own inner vitality—its rhythm and its eros. From the outset, existential philosophy stands in a sharply emphasized subjectivity, from which it cannot be moved without losing its specific being. Hers is from the outset and immovable the human ego, in the depths and shallows of its existence, source and root point, as well as the permanent center of the question of existence in general.

Aber das ist nun gerade das Merkwürdige und was ich als merkwürdig hervorheben möchte, daß das überhaupt möglich ist! Wie ist es möglich, in diesem Subjektivsten alles Subjektiven die ganze Daseinsfrage zu verankern, die Frage nach dem Objektivsten alles Objektiven, dem Sein selber? Wenn Heidegger in “Sein und Zeit,” das Ich schlechthin »Dasein« nennt, so ist das ja doch keine terminologische, sondern eine im strengsten Sinne sachlich gemeinte Identifizierung: Ichhaftes Sein ist Dasein, und Dasein ist ichhaftes Sein. Jaspersunterscheidet ebenso scharf und endgültig das Dasein der gegenständlichen Welt von der allein dem Ich zukommenden und es einervöllig anderen Seinsebene zuweisenden Existenz. Nur das Ich existiert. 

But that is precisely what is strange and what I would like to emphasize as strange, that this is even possible! How is it possible to anchor the whole question of existence in this most subjective of all subjective, the question of the most objective of all objective things, of being itself? When Heidegger in Being and Time calls the ego simply Dasein, this is not a terminological identification, but rather an identification intended in the strictest sense: egoic being is existence, and existence is egoic being. Jaspers distinguishes just as sharply and definitively the existence of the objective world from the existence that belongs solely to the ego and assigns it to a completely different level of being. Only the I exists.

Unsere Philosophie und unser Philosophieren kommt vom Idealismus her. Und man könnte meinen, in diesen Identifizierungen von Dasein resp. von Existenz und Ich die idealistische Position im höchsten Extrem wiederzufinden. Husserl nennt sein durch die transzendentale Reduktion gereinigtes Bewußtsein: das absolute Sein, das nulla re indiget ad existendum. Es ist wohl nicht zu leugnen, daß—historisch und sachlich—die Existenzialphilosophie den Kulminationspunkt idealistischen Denkens darstellt, aber als Kulminationspunkt ebenso eine vollständige Wende, die zu endgültigem Bruch führt. Denn wenn es das Charakteristische des transzendentalen Idealismus ist, daß bei seiner Orientierung am Bewußtsein das Dasein völlig aus den Angeln gehoben und in die Schwebe reiner Phänomenalität versetzt wird, so sucht umgekehrt die Existenzialphilosophie im Ich die Radikalität wahrer Existenz zu ergreifen—zu ergreifen als ein im gewöhnlichen gegenständlichen Sinne allerdings Unergreifbares und darin gerade das Wunder und Geheimnis wahren Seins Offenbarendes. Im Ich ist die Existenzialphilosophie von der rationalen Oberfläche reiner Geistigkeit und Phänomenalität wieder in die Tiefe substanzieller Existenz zurück- und hinabgestiegen. 

Our philosophy and our philosophizing comes from idealism. And one could think that in these identifications of existence resp. of existence and ego to rediscover the idealistic position in the highest extreme. Husserl calls his consciousness purified by the transcendental reduction: the absolute being, the nulla re indiget ad existendum. It cannot be denied that—historically and factually—the existential philosophy represents the culmination point of idealistic thinking, but as the culmination point it is also a complete turning point that leads to a final break. For if it is characteristic of transcendental idealism that, in its orientation towards consciousness, existence is completely unhinged and placed in the balance of pure phenomenality, existential philosophy seeks, conversely, to grasp the radicality of true existence in the ego—to grasp it as a in the usual objective sense, however, ungraspable and therein revealing the wonder and mystery of true being. In the ego, existential philosophy has descended from the rational surface of pure spirituality and phenomenality back into the depths of substantial existence.

Nun stellen wir noch einmal dieselbe Frage: Warum ist es gerade dieses Ich, an das die Daseinsproblematik angeknüpft wird? Liegt hierin mehr als die bloße Fortsetzung—sachlich und historisch—der modern subjektivistischen Tendenz? Ja, entschieden mehr! Dieses Hinabgraben zum Ich ist ein neu wieder hervorbrechendes Suchen nach wahrem Sein und Leben, das in den Bezirken transzendentaler und phänomenalistischer Intuitionen nirgend gefunden wurde und gefunden werden konnte. Man muß bedenken, daß gerade zum transzendentalen Idealismus, zum transzendentalen Subjektivismus die reine Sachlichkeit im Sinne platonischer Objektivität als notwendiges Gegenstück gehört! Während umgekehrt die Existenzial-philosophie vom bloß Gegenständlichen und Objektiven weg des Daseins selber wieder habhaft werden will—dort, wo sie desselben eben zuerst und wesentlichst habhaft zu werden glaubt: am Ich. Nicht um vom geistigen Ich her eine objektive, in ihrer gegenständlichen Klarheit geistig befriedete und befriedigende Welt aufzubauen, ist in ihr wie in der Transzendentalphilosophie das Ich Wurzel und Zentrum des Denkens, sondern um mit dem Ich in den Grund und Abgrund des ganzen Daseins selber vorzustoßen. 

Now we ask the same question again: why is it precisely this ego to which the problem of existence is linked? Is there more to this than the mere continuation—factual and historical—of the modern subjectivist tendency? Yes, decidedly more! This digging down to the ego is a re-emerging search for true being and life that has not been and could not be found anywhere in the realms of transcendental and phenomenal intuition. One must remember that pure objectivity in the sense of platonic objectivity is a necessary counterpart of transcendental idealism, transcendental subjectivism! Conversely, existential philosophy wants to get hold of existence itself, moving away from the merely objective and objective—there where it believes it can get hold of it first and most essentially: the ego. As in transcendental philosophy, the ego is not the root and center of thinking in order to build up an objective world that is spiritually peaceful and satisfying in its objective clarity, but in order to penetrate with the ego into the ground and abyss of all existence itself.

Und noch einmal: Warum ist gerade das Ich das spezifische Vehikel dieses Vorstoßes? Wie kann es das sein? Inwiefern enthüllt sich an diesem Ich die Tiefe wirklicher Existenz in krassester, unüberbietbarer, ja, wie einige meinen, ausschließlicher Form? 

And again: why is the ego the specific vehicle of this advance? How can it be? To what extent is the depth of real existence revealed in this ego in the most awesome, unsurpassable, yes, as some say, exclusive form?

Was ist überhaupt Dasein? Wer so fragt, und zwar fragt in reiner Allgemeinheit, absehend noch von dem speziellen Daseinsmodus ichhaften Seins, fragt als Ontologe, nicht als Existenzialphilosoph. Das allgemeine Wesen des Daseins an sich selbst fassen zu wollen, setzt ein Vertrauen nicht nur in die Intelligibilität alles Seienden, sondern auch in die des Seins selber voraus. Zwar läßt sich das Dasein gewiß nicht im transzendental-phänomenologischen Sinne vergegenständlichen, nicht auf die Ebene reiner Rationalität erheben. Es ist ja von tiefster Bedeutsamkeit, daß die Husserlsche transzendentale Reduktion auf der grundsätzlichen Einklammerung des faktischen Daseins beruht. Denn hier stößt man auf etwas, was sich auf die reine Bewußlseinsebene nicht hinaufheben, was sich ihr nicht angleichen läßt, auf etwas Transzendentes, aus seinen eigenen Wurzeln nicht Herauszulösendes. Aber wenn wir dieses faktische Sein in unseren Geist gleichsam nicht hineinholen können, so können wir doch zu ihm hinüber- und in es hinabsteigen. 

What is existence anyway? Anyone who asks like this, and asks in general terms, disregarding the special mode of existence of egoic being, is asking as an ontologist, not as an existential philosopher. Wanting to grasp the general essence of existence in itself presupposes trust not only in the intelligibility of all beings, but also in that of being itself. It is true that existence cannot be objectified in the transcendental-phenomenological sense, cannot be raised to the level of pure rationality. It is of the deepest significance that Husserl’s transcendental reduction rests on the fundamental bracketing of factual existence. For here one encounters something that cannot be raised to the level of pure consciousness, something that cannot be assimilated to it, something transcendent, something that cannot be separated from its own roots. But if we cannot, as it were, bring this factual being into our spirit, we can nevertheless climb over to it and descend into it.

Der menschliche Geist ist durchaus fähig, das zu tun; ja, es ist ihm hierin so wenig eine Grenze gesetzt, daß es im Gegenteil zum eigentlichsten, konstitutiv-existenziellen Wesen ichhaften und damit geistigen Seins gehört, über sich selbst hinauszusteigen oder vielmehr ein immer schon über sich selbst hinaus Gestiegener zu sein. Ich-haftes Sein kann gar nicht sein als in dieser überstiegenheit, als in dieser Jenseitigkeit zu sich selbst. Das Ich ist von seinem eigenen Seinsgrunde her hinausversetzt über sich selbst; es ist von seinem eigenen Seinsgrunde her in der “Transzendenz” wohnend und daher derselben keineswegs fremd und fern. Wenn Heidegger von dem vorontologischen Licht, von dem existenziellen Seinsverständnis des Ich spricht, so mit einem Recht, das noch weitaus bedeutsamere [ja schließlich die eigenen philosophischen Intentionen Heideggers aufhebende] Konsequenzen hat, als er selber zieht. Dieses mit der eigenen Existenz des Ich konstitutiv vorhandene Seinsverständnis macht ja eineuniversale Ontologie möglich, ist der wahre erkenntnistheoretische Grund derselben. Und wenn nach aristotelisch-thomistischer Bestimmung die Seele, d. i. die Seele qua Geist, “alles ist,” so liegt hierin die gleiche tiefe Einsicht, daß es eben das Wesen des Geistes uranfänglich ausmacht, über sich selbst hinaus bei dem zu sein, was ihmtranszendent ist. 

The human mind is quite capable of doing that; yes, there are so few limits set for it that on the contrary it belongs to the most authentic, constitutive-existential being, egoistic and thus spiritual being, to rise above oneself, or rather to be someone who has always already risen above oneself. I-like being cannot exist at all except in this transcendence, in this transcendence to itself. From the point of view of its own ground of being, the I is transposed beyond itself; from its own ground of being it dwells in “transcendence” and is therefore by no means alien and remote from it. When Heidegger speaks of the pre-ontological light, of the I’s existential understanding of being, he does so with a justification that has far more significant consequences [indeed, ultimately overriding Heidegger’s own philosophical intentions] than he himself draws. This understanding of being, which is constitutively present with the I’s own existence, makes a universal ontology possible and is the true epistemological basis of it. And if, according to the Aristotelian-Thomistic determination, the soul, i. i. the soul qua spirit, “everything is,” so here lies the same deep insight that it is precisely the nature of the spirit that originally constitutes being beyond itself with that which is transcendent to it.

Wirnehmen also bewußt und nachdrücklich die Position des Ontologen ein. Wir fragen nach dem allgemeinen Wesen des Daseins und glauben, daß diese Frage nicht unbeantwortbar ist. Wir verlassen hierin die exklusive Position der Existenzialphilosophie—am “Ich”—, diegewissermaßen nur einen einzigen Schacht zum Dasein hin aufreißt, um aus diesem Seinsgrund, der zugleich ein Seinsungrund ist, nicht mehr herausfinden zu können, weil nämlich das an dieser Stelle sich in der Tat besonders offenbarende Wesen des Daseins doch nur endgültig ergriffen und begriffen werden kann unter dem Licht einer allgemeinen Einsicht in das Wesen von Existenzialität überhaupt. 

So we consciously and emphatically assume the ontologist’s position. We ask about the general essence of existence and believe that this question is not unanswerable. Here we are leaving the exclusive position of existential philosophy—on the “I”—which to a certain extent only tears open a single shaft to existence in order to no longer be able to find our way out of this ground of being, which is at the same time a ground of being, because that is at this point in fact, particularly revealing essences of existence can only be finally grasped and understood under the light of a general insight into the essence of existentiality in general.

Aber ist nicht das Sein die oberste, allgemeinste kategoriale Gattung, die von nichts anderem als dem Nichtsein abhebbar, keine weitere Explizierbarkeit mehr zuläßt? Sein ist Sein und ist nicht Nichtsein. Läßt sich mehr darüber sagen? Sein in einem noch völlig leeren, unsubstanziellen Sinne enthält allerdings ebenso wie keine weitere Explizierbarkeit, so auch keine Fraglichkeit oder Problematik. Was nicht nichts ist, sondern etwas, das ist auch, das ist vorhanden, das gibt es. Hier geht das Sein in nichts über das Etwas-sein hinaus. Irgendein für sich setzbarer, für sich abgrenzbarer Gehalt, sei es eine Zahl oder eine Idee oder eine Gattung oder eine Phantasie oder irgendein Ding, “ist” in diesem leeren, allgemeinen Sinne eben dadurch, daß es einen solchen Gehalt repräsentiert. Es ist nicht nichts, es ist etwas, und deshalb ist es. Wir nennen dieses Sein das essentielle Sein oder das Sein bloßer Vorhandenheit.

But isn’t being the supreme, most general categorial genus, which cannot be distinguished from anything other than non-being and no longer allows any further explicability? Being is being and is not non-being. Can you say more about it? Being in a still completely empty, insubstantial sense, however, contains no further explicability, neither does it contain any questionability or problems. What is not nothing but something is also there, it is there, it is there. Here being does not go beyond being-something. Any settable, self-definable content, be it a number or an idea or a genre or a fantasy or any thing, “is” in this empty, general sense precisely because it represents such a content. It’s not nothing, it’s something, and therefore it is. We call this being the essential being or the being of mere presence.

Aber das alles ist es ja nicht, was wir mit Dasein meinen. Unbegreiflich in seiner Faktizität, unentwurzelbar reckt sich vor uns das Dasein auf. Das Daseiende besitzt ein Sein, das nicht aufgeht in seinem von ihm repräsentierten Seinsgehalt. Der Tisch hier, Sie, ich—wir existieren nicht nur, weil wir etwas sind—der Tisch etwa, weil er ein Tisch oder dieser Tisch ist; oder wir, weil wir so und so individuell qualifizierte Menschen sind—, sondern wir existieren, weil wir eben existieren; wir sind vorhanden, weil wir eben da sind! Weil in diesem Tisch, in uns selber, in jedem wahren Daseienden eine eigene innere Möglichkeit zum Sein liegt. Weil das Sein des Daseienden in ihm, dem Daseienden, selbst gegründet liegt! Wo diese Seinsbegründung im Seienden seihst fehlt, ist auch keine wirkliche Existenz, ist auch kein Dasein. 

But all that is not what we mean by existence. Incomprehensible in its facticity, irrevocably, existence stretches before us. The existent possesses a being that is not resolved in the content of being that it represents. The table here, you, me—we don’t just exist because we are something—the table, for example, because it is a table or this table; or we, because we are so and so individually qualified human beings—but we exist because we exist; we exist because we are there! Because in this table, in ourselves, in every true existent there lies a separate inner possibility of being. Because the being of the existent lies in him, the existent, itself founded! Where this justification of being is absent in beings themselves, there is also no real existence, there is also no existence.

Man muß empfinden, daß wir hier—wenn auch noch in einer gewissen nur vage tastenden Allgemeinheit—an die Wurzel des Daseins selbst hingreifen! Reißen wir das wirklich Existierende aus dieser eigenen inneren, aus dieser selbsteigenen Seinsgegründetheit heraus [was übrigens de facto nur ein allmächtiges Wesen, nur Gott selber könnte], so nehmen wir ihm seine Existenz. 

One must feel that we are here—albeit in a certain only vaguely groping generality—reaching for the very roots of existence! If we rip the really existing thing out of its own inner, self-substantiated being (which by the way de facto only an almighty being, only God himself could do), then we take away its existence.

Ist aber nicht diese Konzeption einer selbsteigenen Seinsgegründetheit eine völlig absurde, eine widersinnige Vorstellung? Kann ein Seiendes sein eigenes Sein begründen? Muß es nicht zuerst-sein, um etwas begründen zu können? Es mag zwar alles mögliche begründen, aber doch nicht sich selbst in seinem Sein! 

But isn’t this conception of one’s own groundedness of being a completely absurd, nonsensical notion? Can a being justify its own being? Doesn’t it have to be first in order to be able to justify something? It may justify everything, but not itself in its being!

Wir treiben hier nicht Sophistik. Man kann auf der Ebene reiner Begrifflichkeit vieles als möglich oder unmöglich beweisen oder abweisen. Uns geht es jedoch darum, ein nicht abzuweisendes Urphänomen zu fassen. Das Dasein in seiner selbsteigenen inneren Gegründetheit und darin faktischen Unentwurzelbarkeit aus sich selbst steht vor uns und will anerkannt und expliziert sein. 

We’re not doing sophistry here. On the level of pure conceptuality, one can prove or reject many things as possible or impossible. However, we are concerned with grasping a primal phenomenon that cannot be dismissed. Existence in its own inner well-foundedness and therein factual inability to be rooted out of itself stands before us and wants to be acknowledged and explained.

Mancher wird vielleicht auf den prinzipiellen Zweifel am Dasein der Welt hinweisen, der seit Descartes eine so bedeutende erkenntnistheoretische und metaphysische Rolle gespielt hat. Wohl kann die einzelne Existenz oder ein räumlich oder zeitlich begrenzter Ausschnitt aus dem Dasein oder auch schließlich die ganze Welt in ihrer faktischen Existenz prinzipiell angezweifelt werden. Wohl bleibt die allerdings meist nur sehr theoretische Frage bestehen, ob mein hier Stehen und Sprechen unter Ihnen vielleicht nur ein Traum, das Sehen dieses Tisches vielleicht nur eine Halluzination ist. Wohl bleibt das Zurückgehen auf die prinzipielle Unbezweifelbarkeit des “Ich bin” ein nicht nur erkenntnistheoretisch, sondern auch ontologisch aufschlußreiches Moment, auf das wir sogleich näher eingehen werden. Aber das steht uns hier alles gar nicht in Frage. Nicht darum geht es, ob irgend etwas oder die ganze Welt wirklich existiert; sondern darum, daß wenn etwas wirklich existiert, wenn etwas Dasein besitzt oder daseiend ist, daß es dann in sich ein dieses Dasein zutiefst charakterisierendes Moment existenzieller Eigengegründetheit einschließt; daß es dann aus seinem Sein nicht herauswurzelbar ist, weil dieses Sein in ihm, dem Daseienden selber, verankert liegt, weil sich dieses Daseiende aus sich selbst oder aus eigenem Grunde zum Sein erhebt. 

Some will perhaps point out the fundamental doubt about the existence of the world, which has played such an important epistemological and metaphysical role since Descartes. In principle, the individual existence or a spatially or temporally limited section of existence or finally the whole world can be doubted in its factual existence. The question that remains, however mostly very theoretical, is whether my standing here and speaking to you is perhaps just a dream, whether seeing this table is perhaps just a hallucination. Going back to the basic indubitability of the “I am” remains a not only epistemologically but also ontologically revealing moment, which we will immediately go into in more detail. But none of that matters to us here. It is not a matter of whether anything or the whole world really exists; it is about the fact that when something really exists, when something possesses existence or is existent, that it then includes a moment of existential self-grounding that deeply characterizes this existence; that it cannot then be rooted out of its being, because this being is anchored in it, the existent itself, because this existent rises to being out of itself or on its own ground.

Dasein, wirkliche Existenz ist—logisch-kategorial genommen—nichts Allerletztes, sondern eine ganz bestimmte Weise des Seins. Damit einSeiendes zum Daseienden wird, muß es nicht nur sein, sondern es muß selber sein. Dasein, wirkliche Existenz ist mehr als bloßes Sein; Dasein ist existenzielle Selberkeit. 

Dasein, real existence—taken logically and categorically—is nothing ultimate, but a very specific way of being. In order for a being to become existent, it not only has to be, but it has to be itself. Dasein, real existence, is more than mere being; Dasein is existential selfhood.

Auch bei einem idealiter Existierenden, etwa der Zahl, können wir, sowie von ihrem Sein und ihrem Seinsgehalt, auch von ihrem “Selbst” sprechen. Sie, die Zahl drei, selbst oder selber! Welch ein Absprung aber in die Region der wirklichen Existenz, wenn nun dieses Selbst zum Grund und Träger des eigenen Seins wird! Und so wie sich das Sein mit dieser existenziellen Selbstbegründung in ein vollkommen anderes verwandelt, so wie reales Sein mit jenem allgemeinen, unsubstanziellen Sein nur noch analogiehaft zu vergleichen ist, so rückt auch das Selbst auf eine völlig andere, völlig neue Ebene, wenn es zum Grunde des eigenen Seins wird. Erst in der existenziellen Selbstbegründung und damit der Konstitution des Daseins gewinnt die Selberkeit oder die Selbsthaftigkeit jene Tiefendimension, die nun vor allem für den Seinsmodus des Daseienden charakteristisch ist. Das Daseiende erhebt sich aus eigenem selbsthaftem Grunde zum eigenen Sein. So liegt also hier das Selbst tiefer als das Sein!Innerhalb des Daseienden gilt es, hinabzusteigen in die Tiefe desselbstigen Grundes, aus dem das Sein erwächst. 

Even in the case of an ideal existent, such as number, we can also speak of its “self” as well as of its being and its content of being. You, the number three, yourself or yourself! But what a leap into the region of real existence when this self now becomes the basis and carrier of one’s own being! And just as being is transformed into something completely different with this existential self-justification, just as real being can only be compared with that general, insubstantial being by analogy, the self also moves to a completely different, completely new level when it becomes ground of one’s own being. It is only in the existential self-justification and thus the constitution of existence that selfhood or self-reliance gains that depth dimension that is now primarily characteristic of the mode of being of the existent. The existent rises to its own being from its own self-sustaining ground. So here the self lies deeper than being! Within what is there, it is important to descend into the depth of the self-sufficient ground from which being grows.

Wollen wir hier eine Art Selbstschöpfung des Daseins das Wort reden? Das wäre allerdings das vollkommenste Mißverständnis. Als könnte sich etwa das Daseiende in einem genetischen Sinne selber aus dem Abgrund des Nichtseins herausziehen! Nein, sofern es existiert, sofern es im Dasein steht, ist es der selbsthafte Grund des eigenen Seins. Es handelt sich um ein inneres Konstitutionsverhältnis, um die Seinsordnung innerhalb des daseinshaft Existenten. Diese gegebene Ordnung ist so beschaffen, daß das Selbst tiefer als das eigene Sein liegt, weil es Grund und Träger desselben ist. Nicht etwa kann das endlich Daseiende sein eigenes Sein selber erzeugen oder vernichten: nein, es ist ihm, dem Existenten, aufgeladen, und es kann sich desselben nicht entäußern. Aber gerade weil es ihm selber unentäußerbar aufgeladen, weil es seinem Selbst persönlich überantwortet ist, ist es eben Grund und Träger seines eigenen Seins. Ist es sub-stans, seinem eigenen Sein unterstehend. 

Do we want to advocate a kind of self-creation of existence here? That would be the most complete misunderstanding. As if, in a genetic sense, being could pull itself out of the abyss of non-being! No, insofar as it exists, insofar as it stands in existence, it is the self-sustaining ground of one’s own being. It is about an inner constitutional relationship, about the order of being within the existent. This given order is such that the self lies deeper than one’s own being because it is the ground and bearer of it. The finite existent cannot create or annihilate its own being: no, it is charged to it, the existent, and it cannot divest itself of it. But precisely because it is inalienably charged to him, because it is personally entrusted to his self, it is the ground and bearer of his own being. Is it sub-stans, subject to its own being.

Wir kommen nun zu unserer anfänglich immer wieder gestellten Frage zurück, die immer noch unbeantwortet blieb. Warum verschafft uns das existenzielle Wesen des Ich einen ganz besonderen Durchblick in das Wesen des Daseins überhaupt? Vollziehen wir einmal ausdrücklich dieses geheimnisvolle “Ich bin,” das man sich vielleicht schon als grübelndes Kind unzählige Male vorgesagt hat, um niemals damit zu Ende zu kommen, niemals seine angsterregende Tiefe und Untiefe ausmessen zu können. 

We now come back to our initial question, which was repeatedly asked and which still remained unanswered. Why does the existential essence of the ego give us a very special insight into the essence of existence in general? Let’s explicitly enact that mysterious “I am,” which one may have said to oneself countless times as a brooding child, never to be able to measure one’s frightening depths and shallows.

Zweierlei erscheint mir daran fundamental wichtig: 1., daß das “Ich bin” nicht mehr ausdrückt als das prägnant gesetzte bloße “Ich.” Ich ist so sehr schon selber “Ich bin,” daß es sozusagen weiter gar nichts ist. Und das ist zugleich das Auffallende: daß 2. dieses Ich, in seiner eigenen reinen Tiefe genommen, überhaupt keinen weiteren eigenen Seinsgehalt besitzt als eben nur dieses “Ich” zu sein. Ob mein Ich, ob das eines von Ihnen oder irgendeines Menschen—und es gibt ja gewiß soviele Einzeliche als Menschen—, alle diese lebe sind doch, rein für sich genommen, gleich und qualitativ nicht unterscheidbar, so sehr qualitativ bis auf den Grund verschiedenartigen Menschen sie angehören mögen. Es ist nichts weiter da als dieses Ich selber und von ihm unabtrennbar, weil sein ganzes Wesen ausmachend, etwas, was wir nun allerdings gar nicht anders ausdrücken können als mit dem einen einzigen Wort: Dasein. Indem ich “Ich” sage und mich hierin in meiner tiefsten Selberkeit selber habe und erfasse, habe und erfasse ich mich als daseiend. Und als schlechthin weiter nichts. “Ich” heißt: ich bin da! Ich bin nicht als dieser oder jener da, nicht als so oder so geartet, nicht als hier oder dort befindlich, auch nicht als für mich selber daseiend: sondern ganz einfach, nackt und bloß: ich bin da, ich existiere. Dasein ist an dieser einen ausgezeichneten Stelle der Welt, die sich in jedem Ich wiederholt, ohne jede weitere unmittelbare Ausgestaltung und Konkretisierung für sich gesetzt! Wenn also irgendwo, so müßte hier jenes gekennzeichnete Wesen des Daseins oder wahrer Existenzialität offenbar werden. Und wenn wir es hier finden und wieder finden, so wird auf die Wahrheit jener Kennzeichnung das hellste Licht fallen. 

Two things seem fundamentally important to me: 1. That the “I am” expresses no more than the succinctly posited mere “I.” I am already so much “I am” myself that it is, so to speak, nothing more. And that is what is striking at the same time: 2. This I, taken in its own pure depth, has no further content of its own than just being this “I”. Whether it’s my ego, whether it’s one of you or someone else—and there are certainly as many individual bodies as there are people—all of these are, taken purely by themselves, the same and qualitatively indistinguishable, so very qualitatively different to the core they may belong. There is nothing more than this ego itself and inseparable from it because it constitutes its entire being, something that we cannot express in any other way than with one single word: existence. By saying “I” and having and comprehending myself in this in my deepest self, I have and comprehend myself as existing. And nothing more than that. “I” means: I’m here! I am not there as this or that, not as such or such, not as being here or there, not as existing for myself either: but quite simply, naked and bare: I am there, I exist. At this one prominent place in the world, which is repeated in every ego, existence is posited on its own without any further direct development and concretization! So if anywhere, then that marked essence of existence or true existentiality would have to be revealed here. And when we find it here and find it again, the brightest light will fall on the truth of that marking.

Wenn man in die Tiefe des Ich hinabsteigt, so trifft man, sahen wir, nichts an als dieses eine Moment des “Da-seins.” Wie aber sieht dieses Da-sein näher aus? Wir sind gewöhnt, das Sein an irgend etwas zu finden. Diesen Tisch hier können wir fassen und beschreiben als ihn selbst. Außerdem existiert er noch. Und wir sind vielleicht versucht, seine Existenz in dem Sinne zu verdeutlichen, daß wir sagen: So wie das Sein in ihn eingesenkt ist, so ist er dadurch ins Dasein eingesenkt; so wie er in sich auf eigenem Seinsgrunde steht, so steht und besteht er im Dasein als in einem ihn und sein Sein haltenden und beschließenden Grunde. Beim Ich aber finden wir zunächst etwas ganz und gar anderes. Da ist nichts, was eingesenkt oder einsenkbar wäre. Nichts, woran man Sein finden könnte. Das Sein ist hier nirgend abgesetzt oder absetzbar. Man kann die wunderbare Sachlage nicht besser charakterisieren als damit, daß man sagt: Das ganze Ich ist nichts weiter als “zum Sein hin.” Dieses pure, nackte Dasein, das wir finden und empfinden, besteht in einem radikalen Geöffnetsein zum Sein hin; in einem aus sich selbst zum Sein hin Aufsteigen und es Ergreifen. 

As we saw, when one descends into the depths of the I, one encounters nothing but this one moment of “being there.” But what does this being-there look like? We are used to finding being in anything. This table here we can grasp and describe as itself. Besides, it still exists. And we are perhaps tempted to clarify his existence in the sense that we say: Just as being is immersed in him, so is he thereby immersed in existence; Just as he stands in himself on his own ground of being, so he stands and consists in existence as in a ground that holds and closes him and his being. With the ego, however, we first find something completely different. There is nothing that is sunken or sunken. Nothing to find being in. Being is nowhere deducted or deductible here. There is no better way to characterize the marvelous state of affairs than by saying: The whole ego is nothing more than “towards being.” This pure, naked existence that we find and feel consists in a radical openness towards being; in a rising out of itself to being and grasping it.

Hier stehen wir an einem Punkt, den mit Prägnanz zu fassen von äußerster Wichtigkeit ist und den nach irgendeiner Richtung mißzuverstehen verderblichste sachliche Folgen hat. Das Geöffnetsein zum Sein hin macht die ganze Existenz und hierin das ganze Wesen des Ich aus! Es ist also nicht etwa so, als ob man das Ich erst setzen und dann mit dieser Eigenschaft der Seinsgeöffnetheit bekleiden könnte. Oder als sollte es ein willkürlicher bewußter Akt eines schon vorgegebenen Ich sein, so zum Sein hin aufzusteigen und es zu ergreifen. Auf diese Weise wäre ja das Ich gewissermaßen darauf angewiesen, sich ununterbrochen der Mühe der Seinsergreifung zu unterziehen, um nicht im Nichts zu versinken. Eine nicht nur widersinnige, sondern auch absurde Vorstellung. Wir wissen alle, daß wir nichts dazu zu tun brauchen noch dazu tun können, um zu existieren. Wir sind einfach. Gerade hierin liegt im Gegenteil der wesentlichste und tiefste Punkt, auf dessen Herausstellung ich es ganz besonders absehe: nämlich in diesem sein-Müssen des Ich, in diesem gar nicht anders Können, als zu sein und immer wieder zu sein. Gerade weil es das ganze Wesen ichhaften Seins ausmacht, das Sein zu ergreifen und in dieser Seinsergreifung Existenz und Wesen zu haben, gerade deshalb ist es so unentrinnbar dem Sein preisgegeben. Existierend ist es nicht anders als aus sich selbst zum Sein hin. 

Here we are at a point which it is of the utmost importance to grasp concisely and which, if misunderstood in any direction, has the most fatal consequences. Being open to being makes up the whole existence and in this the whole essence of the I! So it is not as if one could first posit the ego and then clothe it with this property of being-openness. Or as if it should be an arbitrary conscious act of a pre-determined ego to so ascend and grasp being. In this way, the ego would be dependent, so to speak, on continually striving to grasp being in order not to sink into nothingness. Not only a nonsensical, but also an absurd notion. We all know that we don’t have to and can’t do anything to exist. We are easy. On the contrary, it is precisely here that lies the most essential and deepest point, which I am particularly keen to emphasize: namely, in this ego’s having to be, in this ability to be absolutely nothing other than to be and to be again and again. Precisely because it constitutes the whole essence of egoic being to grasp being and to have existence and essence in this grasping of being, precisely for this reason it is so inescapably surrendered to being. Existing it is no other than out of itself towards being.

Wir haben am Anfang Dasein als existenzielle Selbsthaftigkeit bestimmt. Daseiend ist ein Etwas, das sein Sein zum eigenen selbsthaften Besitz überkommen hat und hierin der Grund seines eigenen Seins ist. Was könnte nun dieses Wesen der Existenzialität klarer und reiner zur Darstellung bringen als dieses ichhaft Seiende, das ganz und gar nichts weiter ist als Seinsergreifung. In der sein ganzes Wesen ausmachenden Potenz zum Sein hin ist ichhaft Seiendes ganz und gar Dasein. 

In the beginning we defined existence as existential self-reliance. Existing is something that has acquired its being for its own self-possessing and is therein the ground of its own being. Now what could present this essence of existentiality more clearly and purer than this egoic being, which is absolutely nothing more than the grasping of being. In the potency towards being that constitutes its entire being, egoic beings are total existence.

In dieser Kennzeichnung des Ich liegen zwei Momente beschlossen,  die scheinbar einander zunächst widersprechen, doch deutlich die gleiche ontologische Wurzel haben und gerade in ihrer Vereinigung das Tiefste existenzialphilosophischer Position auszudrücken geeignet sind. Wir haben sie schon beide berührt. Das erste ist die am Ich haftende Unabweisbarkeit des Seins. Wie soll dieses Ich dem Sein entfliehen, wie soll es dasselbe nur in irgendeinem Sinne beiseite setzen können, wenn sein ganzes Wesen und seine ganze Existenz am selbsthaften Sein-Können und hierin Sein-Müssen hängt. Die so vielbesprochene “existenzielle Angst” des Ich hat zunächst gar nicht so sehr den Charakter einer Angst vor dem Nichtsein—oder gar dem Tode—, sondern vielmehr einer Angst, dem Sein nicht entfliehen zu können, ihm unentrinnbar preisgegeben und ausgeliefert zu sein. Aber allerdings bekommt diese Seinsangst, diese Angst vor dem Seinmüssen, erst ihren Grund und Sinn durch das andere Moment, das zu charakterisieren immer erneutes Bemühen existenzialphilosophischer Richtung ist: daß das Ich, hinabsteigend in seine eigene Tiefe—weder sich selbst noch das Sein noch irgend etwas, sondern eben—nichts findet; daß sich vor ihm, ja, in ihm der grauenvolle Abgrund schlechthinniger Nichtigkeit eröffnet. Hier allerdings nimmt die Seinsangst das Gesicht einer Angst vor dem Nichtsein an. Wie besteht beides zusammen? Es sind die Janusantlitze ein und derselben existenziellen Situation: weil das Ich seinem ganzen Wesen nach nichts weiter ist als selbsthafte Seinsergreifung, weil es existenziell dazu berufen ist, das Sein zu suchen, zu finden und zu ergreifen, deshalb findet es in sich selbst keinen möglichen weiteren Gehalt, an den es sich halten und an den es sich klammern könnte; deshalb findet es in sich selbst nicht einmal das Sein. Im Grunde seiner selbst aus der Seinsnichtigkeit stammend und doch nichts weiter besitzend und vermögend, als sich dem Sein hinzugeben und ihm nachzujagen, ist es an dieses Sein, das es doch nie endgültig besitzt und besitzen kann, sondern immer nur suchen und ergreifen muß und also an die Seinsjagd selbst unentrinnbar gefesselt. Seine Angst vor dem Sein ist Angst vor diesem seinem Sein, das konstitutiv immer nur ein aus der radikalen Nichtigkeit herauskommendes “hin zum Sein” ist, niemals ein selbsteigener und damit befriedigender und befriedender Besitz desselben.

In this characterization of the ego there are two moments that seem to contradict each other at first glance, but clearly have the same ontological roots and, precisely in their combination, are suitable for expressing the deepest existential-philosophical position. We’ve already touched them both. The first is the irrefutableness of being attached to the ego. How is this ego supposed to flee from being, how is it supposed to be able to set it aside in any sense, when its entire being and its entire existence depends on the self-sufficient ability to be and the need to be therein. The much-discussed “existential fear” of the ego does not initially have the character of a fear of non-being—or even of death—but rather a fear of not being able to escape from being, of being inescapably exposed and at the mercy of it. But this fear of being, this fear of having to be, first gets its reason and meaning through the other moment, which is always a renewed effort of existential philosophy to characterize: that the ego, descending into its own depth—neither itself nor being nor anything finds something, but precisely—nothing; that before him, yes, within him, the dreadful abyss of absolute nothingness opens up. Here, however, the fear of being takes on the face of a fear of non-being. How are the two together? They are the Janus countenances of one and the same existential situation: because the ego, in its entire being, is nothing more than self-sufficient grasping of being, because it is existentially called to seek, find and grasp being, which is why it does not find a possible one in itself another content to hold on to and cling to; therefore it does not even find being in itself. Basically coming from the nothingness of being and yet possessing and capable of nothing more than surrendering to being and chasing after it, it is in this being that it never finally possesses and can possess, but always only has to seek and seize and so inescapably tied to the hunt for being itself. His fear of being is fear of his being, which constitutively is always only a “toward being” that emerges from radical nothingness, never a self-own and thus satisfying and pacifying possession of it.

Es könnte vielleicht schon manchem von Ihnen die Frage aufgetaucht sein, wie denn diese selbsthafte Seinsergreifung, in der sich die Existenz des Ich konstituiert, näher zu fassen ist. Sein ist doch nicht etwas, was sozusagen irgendwo paratliegt, um ergriffen werden zu können. Sein ist überhaupt nichts unmittelbar Ergreif- und Erfaß-bares. Wir können nur Seiendes resp. Daseiendes antreffen, nicht aber Sein an sich selbst.

The question might have arisen for many of you as to how this self-determined grasp of being, in which the existence of the ego is constituted, is to be grasped more closely. Being is not something that is ready to be grasped, so to speak. Being is nothing at all that can be grasped and grasped immediately. We can only be or Encountering existing things, but not being in itself.

Dasselbe wäre gegenüber unserer allgemeinen Daseinsbestimmung einzuwenden: als wir sagten, daseiend sei ein Etwas, das sein eigenes Sein selber “kann” oder das selber der Grund seines eigenen Seins ist. Hier aber haben wir mit dem Fundamentalbegriff der existenziellen Selbsthaftigkeit die Lösung schon in der Hand. Das Selbst liegt im Daseienden tiefer als Sein. Wir können nun ganz einfach sagen: daseiend ist etwas, das selber ist oder das Selberkeit besitzt. Ist ein Seiendes in die wahre Selberkeit hineingesetzt, so ist es damit ein Daseiendes. Was also das Daseiende eigentlich und primär “kann,” ist: sich selbst. Und sofern es sich selbst kann und den Grund und das Vermögen zu sich selber in sich hat, ist es auch daseiend. In diesem Grund und Vermögen zu sich selbst ist es gewissermaßen mit sich selbst zusammengeschlossen, hat es einen selbsteigenen Standort gewonnen, in dem es “bei sich” ist; besitzt es einen existenziellen Grund und oden, auf dem es nunmehr, es allein, bei sich selber und auf sich selber steht und wohnt. Und das ist Existenz, ist Dasein. 

The same would be objected to in relation to our general determination of existence: when we said that being is something that “can” itself be something, or that is itself the ground of its own being. But here, with the fundamental concept of existential self-reliance, we already have the solution in hand. The self lies deeper in being [Daseienden] than being [Sein]. We can now say quite simply: existing is something that is itself or that possesses selfhood. If a being is placed in true selfhood, then it is a being. So what the existent actually and primarily “can” is: itself. And insofar as it can itself and has the reason and the capacity for itself within itself, it is also existent. In this reason and capacity for itself, it is to a certain extent united with itself, it has gained a place of its own, in which it is “with itself”; it possesses an existential ground and oden on which it now, it alone, stands and dwells with itself and on itself. And that is existence, is being.

Kehren wir nun zu unserem Ich zurück, so stehen wir allerdings hier zunächst vor einer höchst erstaunlichen Tatsache. Wir sahen, daß das ganze Wesen des Ich in der Seinsergreifung oder, wie wir jetzt auch sagen können, in der Selbstergreifung besteht. Beachten Sie wohl: im Augenblick, da es hiermit etwa fertig würde [was konstitutiv ein Widersinn ist], wäre es nicht mehr es selbst, wäre es kein Ich mehr. Sein existenzielles Sein und darin sein ganzes Wesen ist mit der Seinsergreifung ein immer präsentisentisches, gegenwärtiges, nie perfektisches, vollendetes. Darin liegt aber, daß das Ich mit seinem ergriffenen Sein dennoch niemals bei sich selbst einkehren und auf sich selbst zurückfallen kann; daß es sich niemals mit sich selbst in einer reellen, konkreten Form zusammenzuschließen und damit zu einem eigenen selbsthaften Standort, zu eigenem Grund und Boden in sich selbst zu gelangen vermag. 

If we now return to our ego, we are faced with a most astonishing fact. We saw that the whole essence of the ego consists in grasping being or, as we can now also say, in grasping oneself. Notice well: at the moment when it would be done with this [which is constitutionally nonsense], it would no longer be itself, it would no longer be an ego. His existential being and therein his whole being is always present, present, never perfect, complete with the grasping of being. But this means that the ego with its grasped being can never turn in on itself and fall back on itself; that it can never unite with itself in a real, concrete form and thus attain its own standpoint, its own ground within itself.

Ja, wie kommt es dann überhaupt zu einer Existenzialität, zu einem Dasein, zur Substanzialität! Jetzt sieht es ja so aus, als ob dieses sogenannte Dasein katexochen am meisten entfernt von der Möglichkeit eines wahren Daseins wäre, da ihm der für jede Existenzialität notwendige Standort in eigener Selbstheit völlig zu fehlen scheint! 

Yes, how does it then come to an existentiality, to an existence, to a substantiality! Now it looks as if this so-called existence is katexochen furthest away from the possibility of a true existence, since it seems to be completely lacking in its own selfhood the position necessary for any existentiality!

Was das Ich nicht in sich findet und konstitutiv nicht finden kann, findet es außer sich. Was es nicht in der Immanenz findet und finden kann, findet es in der Transzendenz. Da es sich nicht mit sich selbst zusammenzuschließen und in sich selber Fuß zu fassen vermag—wir werden gleich sehen, welch eine existenzielle Freiheit und Macht gerade in diesem seinem konstitutiven Wesen liegt—, muß es außer sich selbst gründen und Fuß fassen, muß es im Gegenwurf zu sich selbst den Standort gewinnen, in der sich sein Dasein konstituiert. Im Ergreifen eines Gegen-standes, eines Objektes kommt das Ich zum Stehen im Sein, zur Existenzialität. Niemals—ontologisch gesehen—auf sich selbst geworfen und sich selber unterliegend, ergreift es sich selbst im Gegenwurf. Das Ich ist unaufhebbar Subjekt- Objekt.

What the ego does not find within itself and cannot find constitutively, it finds outside of itself. What it does not and cannot find in immanence, it finds in transcendence. Since it cannot unite with itself and gain a foothold within itself—we shall see in a moment what an existential freedom and power lies precisely in its constitutive essence—it must be grounded and gain a foothold outside itself, it must be in the counter-throw to itself gain the location in which its existence is constituted. In grasping an object, the ego comes to a standstill in being, to existentiality. Never—ontologically speaking—thrown upon itself and subject to itself, it seizes itself in counter-throw. The ego is irrevocably subject-object.

Weil das Ich unaufhebbar Subjekt ist, weil es nach seinem existenziellen Wesen im reinen Akt der Seinsergreifung und Selbstfindung steht, darum ist zugleich das Objekt, der Gegenstand das notwendige existenzielle Widerspiel in seiner Daseinskonstitution. Das Objekt ist und bleibt das dem Ich Transzendente, das unergriffen Ergriffene; dasjenige, was in den Besitz des Ich gelangt, ohne doch je auf dieses Ich zurückfallen oder in es hineinfallen zu können; dasjenige, in dem es einen Standort gewinnt und das ihm Grund und Boden verschafft, ohne doch je mit ihm verwachsen zu sein, das ihm Fülle gibt, ohne es doch je zu beladen. Und das es daher ebenso wieder verlassen, dessen es sich genau ebenso wieder entledigen kann, wie es in ihm Fuß gefaßt hat. Nur irgend etwas muß es immer sein, das—vom Ich im Gegenwurf ergriffen—seine eigene Existenz, seine Selbstheit begründet und beschließt. Es kann z. B. das eigene Selbst sein, das nun aber darin als gedoppeltes erscheint, als Subjekt und als Gegenstand oder transzendentales Objekt. 

Because the ego is irrevocably subject, because according to its existential essence it stands in the pure act of grasping being and self-discovery, the object is at the same time the necessary existential counterpart in its constitution of existence. The object is and remains that which is transcendent to the ego, that which has not been grasped; that which comes into the possession of the ego without ever being able to fall back on this ego or fall into it; that in which it gains a location and which provides it with ground and soil without ever being attached to it, which gives it fullness without ever loading it. And therefore leave it again, which it can get rid of just as much as it has gained a foothold in it. It just always has to be something that—seized by the ego in counter-throw—grounds and concludes its own existence, its selfhood. It can, e.g. being one’s own self, which now appears in it as a double thing, as subject and as object or transcendental object.

Wir haben schon darauf hingedeutet und es ist ja auch klar, daß in dieser existenzialen Position des Ich die—rein ontologisch gesehen—grenzenlose Freiheit und Macht des Ich liegt. Indem es in seinem Selbst nichts ist, vermag es alles zu sein. Indem nichts auf es selber zurückfällt, vermag es alles und immer Neues zu ergreifen. Weil es niemals mit der ergriffenen Fülle beladen, beschlossen und verschlossen werden kann, steht es in der Möglichkeit, Wahl und Freiheit zu allem. 

We have already pointed this out, and it is also clear that in this existential position of the ego lies the boundless freedom and power of the ego—seen purely ontologically. Being nothing in its self, it can be anything. Since nothing falls back on itself, it is able to seize everything and always something new. Because it can never be loaded, decided and closed with the fullness it has grasped, it has the possibility, choice and freedom for everything.

Aber allerdings—hier taucht wieder das andere Janusantlitz empor—in einer nur transzendentalen, objektiven Möglichkeit zu allem. Indem es alles ist, ist es selber nichts. In sich selbst zurückgehend, findet es nur Leere und Nichtigkeit, findet es den Seinsabgrund, aus dem es stammt. Und gerade auch die grenzenlose Freiheit, diese existenzielle Position der Möglichkeit zu allem, der Erwählbarkeit von allem, kann mit der darin liegenden unüberbietbaren Verantwortung die Angst nur um so mehr schärfen. 

But certainly—here the other Janus face emerges again—in an only transcendental, objective possibility of everything. Because it is everything, it is itself nothing. Going back into itself, it finds only emptiness and nothingness, it finds the abyss of being from which it came. And just the limitless freedom, this existential position of the possibility for everything, the eligibility of everything, with the unsurpassable responsibility it contains, can only intensify the fear all the more.

In dieser äußersten selbsthaften Verantwortung dem Sein und damit der eigenen Existenz gegenüber haben wir nun in klarer Schärfe das gesuchte Moment vor uns, weswegen ichhaftes Sein das Wesen von Dasein überhaupt in reinster Weise manifestiert. Denn Dasein ist ja existenzielle Selbsthaftigkeit, ist ja Seiendes, dem das eigene Sein und Selbst zur Verantwortung übergeben ist.

In this extreme self-responsibility towards being and thus towards our own existence, we now have in clear focus the moment we are looking for, which is why egoic being manifests the essence of existence in the purest way. Because existence is existential self-reliance, is beings to which one’s own being and self is handed over to take responsibility.

Läßt sich nun aber auch unsere universal-ontologische These bewahrheiten, daß diese existenziale Grundsituation durchaus nicht nur beim Ich gegeben ist, sondern daß sie eine durchgehende, weil wesenhafte Urverfassung aller wirklichen Existenz darstellt? Oder vielmehr: daß es wirkliche Existenz, daß es Existenzialität nicht nur bei dem ichhaft Seienden gibt, sondern daß eine Welt, eben die Welt des Daseins, daran teilhat? Zwar können und werden wir ja nicht erwarten, daß dieser spezifische Modus des Daseins, der gerade ichhaftes Sein zu ichhaftem stempelt, überall gefunden werde: ichhafte Existenz ist und bleibt eine bis auf den Grund eigenartige, mit nichts anderem vergleichbare Daseinsmodalität. Wir können sie die selbsthafte “existenzielle Selbsthaftigkeit” nennen, in welcher Gedoppeltheit des Ausdrucks einerseits der allgemeine Charakter des Daseins 

liegt, andererseits der spezifische des Ich: ichhaft Seiendes stellt innerhalb des allgemeinen Daseins die spezifisch individuelle, persönliche, aktive, präsentische, kurz eben selbsthafte Form existenzieller Selbsthaftigkeit dar. 

But can our universal-ontological thesis be confirmed that this existential basic situation is not only given in the ego, but that it represents a continuous, because essential, original constitution of all real existence? Or rather: that there is real existence, that there is existentiality not only in the egoic being, but that a world, precisely the world of Dasein, participates in it? Of course, we cannot and will not expect that this specific mode of existence, which stamps egoic being as egoic, will be found everywhere: egoic existence is and remains a fundamentally unique modality of existence that cannot be compared with anything else. We can call it the selfish “existential selfishness”, in which duality of expression on the one hand the general character of existence

lies, on the other hand the specific of the ego: egoic being represents within the general existence the specifically individual, personal, active, present, in short, selfish form of existential selfishness.

Was gibt es denn sonst für Daseiendes? Eine ganze Welt! Eine Welt, zu der wir selbst gehören. Der wir nicht nur gegenüberstehen, weil wir derselben durch unsere mit unserm ichhaften Seinsgrund gegebene transzendentale Eignung gegenständlich habhaft werden können, sondern in die wir auch, und zwar mit dieser gleichen Existenz—rückwärtig gleichsam und wurzelhaft—, an und für sich eingesenkt sind. Wir teilen mit dieser Welt das Dasein; wir sind daseiend in ihr und mit ihr. 

What else is there for existence? A whole world! A world to which we ourselves belong. Which we face not only because we can get hold of it objectively through our transcendental aptitude given with our egoic ground of being, but in which we are also immersed in and for ourselves with this same existence—backward, so to speak, and rooted. We share existence with this world; we are existing in it and with it.

Wie sieht nun aber der spezifische Daseinsmodus der Welt aus, sofern sie keine ichhafte Existenzialität besitzt?

But what does the specific mode of existence of the world look like if it has no egoic existentiality?

Von dem letzten Existenzgrunde her wird man—wenigstens innerhalb der endlichen Welt—nur von einem zweifachen aktuellen Daseinsmodus sprechen können. [Ich füge ausdrücklich “aktuellen” hinzu, weil es neben dem aktuellen Dasein auch ein potenzielles gibt!] Nämlich: der besprochenen individuellen, persönlichen, aktiven, präsentischen Existenzialität ichhaften und damit geistigen Seins tritt die allgemeine, sachliche, passive, perfektische stofflichen Seins gegenüber. Stoff und Geist, hyle und pneuma, dieser uralte immer wiederkehrende Dualismus geht aus dem gekennzeichneten Wesen des Daseins mit seinen zwei einzig möglichen existenzialen Polen einsehbar hervor. Ein Dualismus also, der—obzwar radikal genug—dennoch nicht ontologisch unüberbrückbar ist, weil er im Dasein selbst seine gemeinsame Wurzel hat. 

From the point of view of the ultimate reason for existence one can—at least within the finite world—only be able to speak of a twofold actual mode of existence. [I expressly add “current” because there is also a potential existence in addition to the current one!] Namely: the discussed individual, personal, active, present existentiality of egoic and thus spiritual being is opposed to the general, objective, passive, perfect material being. Matter and spirit, hyle and pneuma, this age-old, constantly recurring dualism emerges from the characterized essence of existence with its two only possible existential poles. A dualism that—although radical enough—is not ontologically unbridgeable because it has its common root in existence itself.

Nach der skizzierend gegebenen existenziellen Interpretation ichhaft-geistigen Seins kann ich jetzt die genau ebenso mögliche existenzielle Interpretation stofflichen Seins hier nicht mehr als nur entfernt andeuten. Dasein war uns existenzielle Selbsthaftigkeit. Oder auch Selbsthaftigkeit—prägnant genommen—schlechthin. Daseiend ist ein Etwas, das aus sich selbst zu sich selbst gelangt und so bei sich selbst einen eigenen Standort gewinnt. Hierbei ist jedoch jetzt ein Moment ganz besonders zu beachten und für sichzufassen. Um aus sichselbst zu sich selbst zu kommen, muß das Seiende zuerst einmal aus sichselbst heraustreten, muß es sich selbst transzendieren; damit tritt das Selbst ”ans Licht”—eine nicht nur analogiehaft, sondern sehr eigentlich zu nehmende Ausdrucksweise. Lichtwerdung ist von Daseinskonstitution unabtrennbar. Indem wir z. B. “ich” sprechen und vollziehen, fassen wir das deutlich. In der Selbsttranszendenz und Selbst- manifestation liegt die Wurzel der existenziellen Selbsthaftigkeit und damit des Daseins. Während aber beim spezifisch ichhaft Seienden diese Selbstmanifestation eine geöffnete bleibt, insofern hier die existenzielle Selbstbeschließung in der Ergreifung eines jenseitigen Objektes geschieht, fällt bei der Stoffsetzung das selbsthaft Hervorgehende und sich Transzendierende auf sich selbst zurück und wird so zu einem mit sich selbst beladenen, in sich selbst verschlos-senen, sich selber tragendenundauf sich habenden: Hyle katexochen. Hier ist die Lichtwerdung zugleich Leibhaftwerdung; aber die Leibhaftwerdung ist auch unaufhebbar in ihrem existenziellen Grunde Lichtwerdung, d. h. Selbsttranszendierung und Selbstmanifestation. Ohne diese wäre überhaupt keine Konstitution wahren Daseins, weil ohne sie kein Anfang und Ursprung existenzieller Selbsthaftigkeit. 

After the existential interpretation of ego-spiritual being given as a sketch, I can now no longer more than only remotely hint at the just as possible existential interpretation of material being. For us, existence was existential self-reliance. Or self-reliance—to put it succinctly—per se. Existing is something that comes to itself out of itself and thus gains its own location in itself. Here, however, there is one moment that is particularly important to note and take for oneself. In order to come to itself from itself, beings must first step out of themselves, they must transcend themselves; thus the self “appears to the light”—a mode of expression that is not only analogical, but also to be taken very seriously. Becoming light is inseparable from the constitution of existence. For example, when speaking and performing “I”, we grasp this clearly. In self-transcendence and self-manifestation lies the root of existential self-reliance and thus of existence. But while in the case of specifically egoic beings this self-manifestation remains an open one, insofar as here the existential self-determination takes place in the grasping of an object in the beyond, in the case of the substance setting, what emerges and transcends itself falls back on itself and thus becomes a self-laden, in self-closed, self-carrying and self-reliant: Hyle-katexochen. Here the becoming of light is at the same time becoming of bodily nature; but the becoming bodily is also irrevocable in its existential ground becoming light, i. H. Self-Transcendence and Self-Manifestation. Without this there would be no constitution at all of true existence, because without it there would be no beginning and origin of existential self-reliance.

Von dem archonalen Charakter ichhafter Existenzialität [ἄρχω= ich fange an!], die immer im Anfang und Ursprung ihrer selbst bleibt, unterscheiden wir die hypokeimenale Existenzialität stofflichen Seins, das aus sich selber hervorgehend sich selber auf sich nimmt und durch und durch Grund und Boden seiner selbst ist: das typische Substrat. Dasein ist immer Substanzialität, immer existenzielle Selberkeit. Aber die Substanzialität des Stoffes ist eine substrathafte, die des Geistes eine personhafte.

From the archonal character of egoic existentiality [ἄρχω= I begin!], which always remains in the beginning and origin of itself, we distinguish the hypokeimenal existentiality of material being, which, emerging from itself, takes on itself and through and through ground and soil of itself is: the typical substrate. Dasein is always substantiality, always existential selfhood. But the substantiality of matter is substratum, that of spirit is personal.

Daß sich aus dieser hypokeimenalen Existenzialität, die als existenzielle Selbsttranszendierung immer reelle Selbstbeschließung bleibt und so zur Urhyle wird, der Raum als die spezifische Daseinsform mit ergibt, sei nur noch nebenbei erwähnt. So wie Heidegger mit vollem ontologischem Recht ichhaftes Dasein und Zeit miteinander verflocht, so ist stoffliches Sein mit dem Raum existenziell zu verflechten. Allerdings ist die Zeit die übergreifende existenziale Kategorie, insofern sie mit dem Dasein überhaupt konstitutiv zusammenhängt und so auch dem stofflichen Sein gilt.

It should only be mentioned in passing that this hypokeimenal existentiality, which as existential self-transcendence always remains real self-determination and thus becomes urhyle, also results in space as the specific form of existence. Just as Heidegger, with full ontological justification, interweaves egoic existence and time, material existence is to be existentially interwoven with space. However, time is the overarching existential category insofar as it is constitutively connected with existence in general and thus also applies to material being.

Wie es nun von dieser existenzial begriffenen Urhyle aus zu den konkreten reinen Stoffentitäten, zu Wasser, Kohle, Schwefel usw. kommt, ob und wie die Urhyle an sich selbst spezifizierbar ist oder weiteren Formungen unterliegt, welche Stellung sodann gegenüber den reinen Stoffentitäten die eigentlich gestalteten, die organisierten Körpereinheiten haben, wie es zu der fortschreitenden lnnerung, dem fortschreitend vertieften Hervorgehen einer selbsteigenen Sphäre der Innerlichkeit und damit eines typisch seelischen Bezirks kommt, der die eigentliche Animalität begründet, wie schließlich auf höchster Stufe die Vereinigung dieses in seelischer lnnerung stehenden Leibesorganismus, der an der hypokeimenalen Existenzialitüt teilhat, mit der ichhaften Existenzialität und damit dem Geist sachlich-ontologisch zustande kommt [vom Boden des “Daseins” aus, das Stoff und Geist umschließt, ist ja dieses Problem nicht mehr unlösbar!]—alle diese alten, schwerwiegenden Probleme von höchster Tragweite erhalten von dem so gewonnenen existenzialen Boden aus eine neue höchst aufschlußreiche Beleuchtung.

How it comes from this existentially conceived urhyle to the concrete pure material entities, to water, coal, sulfur etc., whether and how the urhyle can be specified in itself or is subject to further formations, what position then compared to the pure material entities the actually formed ones , the organized bodily units, how the progressive introspection, the progressively deepening emergence of a self-own sphere of inwardness and thus a typical psychic area that establishes the actual animality, how finally, at the highest level, the unification of this psychic inner body organism, that participates in the hypokeimenal existentiality, that comes into being objectively ontologically with the egoic existentiality and thus the spirit [this problem is no longer insoluble from the basis of “existence” that encompasses matter and spirit!]—all these old, serious ones problems of the greatest importance From the existential ground gained in this way, hold a new, highly revealing illumination.

Was mir aber in diesem Moment vor allem zu sagen wichtig ist, ist dies: mit der Einsicht in das allgemeine Wesen von Dasein oder Existenzialität als dem gemeinsamen Seinsboden von Stoff und Geist wird das Ich seiner, wie mir scheint, sachlich [und schließlich im letzten und höchsten Sinne auch praktisch] äußerst verderblichen ontologischen Exklusivität wieder entrissen, die es in der Existenzialphilosophie angenommen hat und die hierin wirklich eine letzte äußerste Konsequenz eines verkehrten, durch den Idealismus angebahnten Subjektivismus darstellt. Die Existenzialphilosophie hat den großen Fortschritt gebracht, daß der Subjektivismus von der Oberfläche reiner Phänomenalität fort wieder in den substanziellen Grund und Boden des Seins verankert wurde, so daß nun der Kampf auf dem Boden des Seins selber und damit in letzter Tiefe ausgefochten werden kann. 

But what is particularly important for me to say at this moment is this: with the insight into the general nature of existence or existentiality as the common ground of being of matter and spirit, the ego becomes, it seems to me, objective [and finally in the last and also practically in the highest sense] from the extremely pernicious ontological exclusivity which it has assumed in existential philosophy and which in this respect really represents a final, extreme consequence of a perverted subjectivism initiated by idealism. Existential philosophy has brought about the great advance that subjectivism was anchored away from the surface of pure phenomenality and back into the substantial ground and ground of being, so that the battle can now be fought on the ground of being itself and thus in the ultimate depth.

Esgeht zugleich um die Möglichkeit wahrer Metaphysik. Vom Boden existenzieller Exklusivität des ichhaften Seins aus kann die Metaphysik dem Subjektivismus und Realitivismus auch dann nicht entzogen werden, wenn es zu einer Art Grenzdurchbruch in die Transzendenz kommt [wozu ja entsprechend ältester Gottesbeweise das Ich in seiner nackten Seinstiefe und Untiefe besonders geeignet ist]. Selbst also, wenn es an dieser Stelle zu einer Art Grenzübergang in die Transzendenz kommt, bleibt doch diese Transzendenz [und soll—vom Standpunkt der Existenzphilosophie-bleiben!] eine subjektiv gebundene, ein bloßes schattenhaftes Widerspiel existenzieller Selbstverzweiflung; ein bloß durchscheinendes Grenzphänomen, das im Versuch seiner Erfassung notwendig wieder entschwindet, ja wieder zu entschwinden ausdrücklich geheißen wird! Die wiedergefundene Existenzialität der ganzen Welt aber wird zum unausweichlichen objektiven Transparent wahrer göttlicher Schöpfungsmacht. Weil ja doch die existenzielle Selbstheit, die das Dasein ausmacht, selber und als ganze aus dem Nichts stammt und ohne einen jenseitigen, schaffenden und tragenden Seinsgrund von diesem Nichts verschlungen würde. Was wir in der Tiefe und Blöße unserer erlebten Eigenheit erblicken, den Abgrund des Nichts, aus dem wir stammen, liegt jedem Dasein, liegt der Existenz der ganzen Welt zugrunde! 

At the same time, it is about the possibility of true metaphysics. On the basis of the existential exclusivity of egoic being, metaphysics cannot be withdrawn from subjectivism and relativism even if there is a kind of breakthrough into transcendence [for which, according to the oldest proofs of God, the ego is particularly suitable in its naked depth and shoal of being]. So even if at this point there is a kind of border crossing into transcendence, this transcendence remains [and should—from the point of view of existential philosophy—remain!] a subjectively bound, a mere shadowy counterpart of existential self-despair; a merely translucent borderline phenomenon that necessarily disappears again in the attempt to grasp it, indeed is expressly ordered to disappear again! The rediscovered existentiality of the whole world, however, becomes the inescapable objective transparency of true divine creative power. Because the existential selfhood that makes up existence itself and as a whole comes from nothing and would be swallowed up by this nothing without an otherworldly, creating and supporting reason for being. What we see in the depth and nakedness of our experienced uniqueness, the abyss of nothing from which we come, lies at the basis of every existence, the existence of the whole world!

Es sei allerdings zugleich und mit Nachdruck betont, daß die heute allein mögliche und notwendige Ontologie eine gegenüber der klassischen Ontologie etwa des hl. Thomas—und sie ist wahrhaft klassisch—eine sozusagen existenzialphilosophisch gewandelte geworden ist. In der alten Ontologie war das in Gott verankerte Dasein etwas Selbstverständliches, Unverrückbares und so eigentlich Unproblematisches. Es ging um innere Ausgestaltung, Gliederung und Aufbau, nicht um Grundlegung.

However, it should be emphasized at the same time and emphatically that the ontology which is the only possible and necessary one today, compared to the classical ontology of St. Thomas—and it is truly classic—has become, so to speak, an existential-philosophical one. In the old ontology, existence anchored in God was something self-evident, immovable and actually unproblematic. It was about interior design, structure and structure, not about laying the foundation.

Uns ist der Boden unter den Füßen gewichen. Und das ist gut so. Sachlich und praktisch. Sachlich, weil damit erst allertiefste Seinsprobleme zum Vorschein kommen und gegenüber einem allzu statischen und ruhend gesicherten Sein das letzthin dynamische und ungesicherte Antlitz der Welt wieder hervorbricht. Praktisch, weil nun allerdings der persönliche Weg zur Wiedervereinigung mit Gott nur über die existenzielle “Todeslinie” hinübergeht, auf der jedoch andererseits alles Philosophieren, es mag sein wie immer, aufhört. 

The ground has given way under our feet. And that’s good. Factual and practical. Objectively, because only then do the deepest problems of being come to light and, in contrast to an all too static and dormantly secure being, the ultimately dynamic and unsecured face of the world breaks out again. Practical, because the personal path to reunification with God only crosses the existential “line of death” on which, however, all philosophizing, whatever it may be, ends.